Kriminalromane leben von Verbrechen. Das Verbrechen soll originell sein, damit ein Krimi sich gut verkauft. Je makabrer der Verbrecher, desto erfolgreicher der Roman? Nicht immer. Die Autorin oder der Autor kann es auch zu weit treiben.
Wenn das Ganze zu kompliziert wird und ich hinten und vorne nicht mehr durchblicke, wenn ein grausames Verbrechen zu detailliert beschrieben wird oder wenn sich eine Geschichte innerhalb von zwei Tagen über drei Erdteile erstreckt, dann schalte ich persönlich als Leserin meistens ab. Dann klappe ich das Buch zu, weil es mir entweder zu kompliziert, zu unappetitlich oder zu unrealistisch wird. Was mir gefällt, sind Kriminalromane, die im Alltag ganz normaler Menschen spielen. Charaktere, die keine Übermenschen, sondern ganz normale Leute wie ich und meine Leser*innen sind. Deshalb gefallen mir auch die nordischen Krimis. Weil ich mich mit den Heldinnen meistens identifizieren kann. Sie haben so ähnliche Probleme wie ich, müssen mit Job und Familie jonglieren, werden vom Alltag erdrückt und die Verbrechen finden meistens praktisch vor ihrer Haustüre statt – was mir persönlich zum Glück noch nicht passiert ist!
Für uns Autorinnen und Autoren ist es nicht immer einfach, ein Thema für eine interessante Geschichte zu finden. Was meine Arbeitsweise betrifft, so kommt die Idee ganz plötzlich und meistens dann, wenn ich sie nicht erwarte. Wenn ich mich hinsetzte und konzentriert überlege, geht gar nichts. Ich finde die Idee nicht, sie findet mich.

Wenn ich beschließe einen neuen Krimi zu schreiben, gibt es immer einen Auslöser dafür. Häufig ist das ein Zeitungsartikel, der über ein Verbrechen berichtet. Manchmal auch ein Podcast oder ein Fernsehbericht. Es kann auch um ein Ereignis gehen, das in meinem Umfeld oder im Umfeld meiner Freunde oder meiner Familie geschehen ist. Dieses Ereignis verwende ich dann als Ausgangspunkt für einen neuen Roman, ändere jedoch die Details.
In Marseille mangelt es nicht an Denkanstößen. In den Zeitungen und auf Internet gibt es genug über Verbrechen in der provenzalischen Großstadt zu lesen. Allerdings hängen die Morde dort meistens mit Korruption, Drogengeschichten und mafiösen Organisationen zusammen. Serienmörder gibt es in der Provence eher wenige, auch Sexualtäter sind nicht das, was am meisten hervorsticht. Allerdings hat es in Frankreich im zwanzigsten Jahrhundert einige schlimme Serienmörder gegeben, deren Taten viele Autorinnen und Autoren inspiriert haben.
Mein Ziel ist es, meine Handlung um ein Verbrechen zu konstruieren, das plausibel erscheint und nicht komplett aus der Luft gegriffen ist. Auch lege ich Wert darauf, jeweils mehrere Handlungsstränge zu schaffen, Geschichten innerhalb eines Romans mit mehreren Hauptpersonen und vielen Nebenpersonen zu erzählen. Manchmal habe ich zu viele Charaktere. Da muss dann ein bisschen aufgeräumt werden, das heißt, ich muss kürzen und vereinfachen. Für mich ist es wichtig, genügend Romanfiguren zu haben, um falsche Fährten zu legen, aber auch nicht zu viele, damit die Leser*innen nicht im Gewirr der Handlung den Faden verlieren. Seit jeher arbeite ich mit einer Erzählung aus mehreren Perspektiven, was heute sehr viele Krimi-Autor*innen machen, weil es uns erleichtert, den Kriminalroman spannend und kurzweilig zu gestalten, fast nach dem Prinzip einer Serie. Wir verlassen eine Person im entscheidenden Augenblick und gehen dann plötzlich mit einer anderen weiter. Die Leser*innen sind verzweifelt, sie wollen wissen, was nun geschieht, doch sie müssen ein wenig Geduld haben.
Tja, das Krimi-Schreiben vergleiche ich oft mit dem Kuchenbacken. Ich brauche genau die richtige Dosis Drama, die richtige Dosis Spannung, ein paar Momente, in denen die Leser*innen kurz verschnaufen können, manchmal auch ein wenig Romantik. Wenn das alles gut dosiert und die Handlung logisch ist, dann geht der Kuchen schön auf. Der einzige Unterschied: Für den Kuchen habe ich als Bäckerin ein Rezept. Für meine Krimis muss ich als Autorin selbst experimentieren.